Entwicklung und Zustand von Gebieten mit und ohne Schutzstatus

In ganz Nordrhein-Westfalen sind Lebensräume zu erhalten und zu entwickeln, die aufgrund ihrer Größe und Struktur geeignet sind, zum Erhalt der Artenvielfalt, der Lebensgemeinschaften und der landschaftstypischen Biotope beizutragen.

Das Bild zeigt eine blühende Heidelandschaft im ehemaligen Munitionsdepot Brüggen-Bracht im Spätsommer. © Oliver Mankowski

Ein Instrument dafür ist die gesetzlich gesicherte Fläche des landesweiten Biotopverbunds, die sich  aktuell auf etwa 11,9 % der Landesfläche erstreckt. Sie  wird insbesondere gebildet aus den  Naturschutzgebieten  inklusive dem Nationalpark Eifel, den Fauna-Flora-Habitat-Gebieten (FFH-Gebiete) und den nach EU-Recht ausgewiesenen Vogelschutzgebieten. Allerdings sind die meisten dieser Gebiete nicht frei von  Nutzungen durch die Land- und Forstwirtschaft, durch Freizeit, Erholung, Tourismus und Verkehr. Daneben wurden in Nordrhein-Westfalen auf Grundlage der "Prager Erklärung" rund 100 Wildnisentwicklungsgebiete auf insgesamt  knapp 8.000 Hektar Fläche ausgewiesen – hauptsächlich  im Staatswald sowie in FFH- oder Naturschutzgebieten liegend. Sie sollen vornehmlich den an die Alters- und  Zerfallsphase gebundenen Pflanzen- und Tierarten einen  geeigneten Lebensraum bieten.

Säulendiagramm: Umweltindikator Naturschutzflächen © MUNV NRW

Umweltindikator Naturschutzflächen

Die Naturschutzflächen, bestehend aus dem Nationalpark Eifel und rund 3.300 Naturschutzgebieten, stehen unter strengem  Schutz. Sie machen im Jahr 2023 etwa 8,9 % der Landesfläche aus. Die Zuwächse in den 2000er Jahren sind vor allem der  Umsetzung der FFH-Richtlinie zu verdanken, viele FFH-Gebiete sind nämlich zugleich Naturschutzgebiete. Ziel der Biodiversitätsstrategie Nordrhein-Westfalens und Forderung des Landesnaturschutzgesetzes ist es, den Biotopverbund auf 15 % der Landesfläche auszuweiten, was die Ausweisung weiterer Naturschutzgebiete erwarten lässt.

Die EU-Mitgliedstaaten sind dazu verpflichtet, der Europäischen Kommission alle 6 Jahre über die Umsetzung der Vogelschutz- und der FFH-Richtlinie zu berichten. Berichte nach Vogelschutz-Richtlinie werden ausschließlich für die Bundesebene veröffentlicht, der letzte im Jahr  2019. Seine Bilanz ist, dass der Anspruch eines umfassenden Schutzes der heimischen Vogelarten noch nicht verwirklicht werden konnte, insbesondere nicht in der Agrarlandschaft: So sind zum Beispiel die Bestände des Rebhuhns in der Zeitspanne von 1992 – einem Zeitpunkt, zu dem es um diese Spezies auch nicht mehr zum Besten stand – bis 2016 um 89 % zurückgegangen.

Fauna-Flora-Habitat- und Vogelschutzgebiete ergeben das EU-weite NATURA 2000-Netzwerk

Die im Jahr 1979 in Kraft getretene Vogelschutz-Richtlinie und die 1992 in Kraft getretene FFH-Richtlinie verfolgen das Ziel, den anhaltenden Rückgang von wild lebenden Arten und natürlichen Lebensräumen in der Europäischen Union entgegenzuwirken sowie die biologische Vielfalt zu erhalten. Beide Richtlinien sehen als Kernelemente die Etablierung eines nach einheitlichen Kriterien ausgewiesenen, kohärenten Schutzgebietssystems vor. Dieses Schutzgebietssystem wird „Natura 2000“ genannt. Die Natura 2000-Gebiete bilden das größte grenzüberschreitende, koordinierte Schutzgebietsnetz der Welt. Die Vernetzung dient der Bewahrung, Herstellung und Entwicklung ökologischer Wechselbeziehungen sowie der Förderung natürlicher Ausbreitungs- und Wiederbesiedlungsprozesse. Nordrhein-Westfalen verfügt über 29 Vogelschutzgebiete, die in Summe auf 5,5 % der Landesfläche zunahm. Daneben gibt es in Nordrhein-Westfalen 517 FFH-Gebiete, die sich teilweise mit den Vogelschutzgebieten überschneiden. Überlappungsfrei sind insgesamt etwa 8,9 % der Landesfläche als Natura 2000-Gebiete ausgewiesen. Mit deren Ausweisung ist die Verpflichtung verbunden, die für einen günstigen Erhaltungszustand der Arten- und Lebensraumtypen erforderlichen Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen auf Dauer sicherzustellen.

In dem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass die EU-Kommission im März 2024 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleitete, weil es seinen Verpflichtungen aus der EU-Vogelschutzrichtlinie nicht hinreichend nachkam. Neben mehreren an alle Bundesländer gerichteten Beanstandungen steht Nordrhein-Westfalen  wegen des nach Ansicht der Kommission unzureichenden Managements des EU-Vogelschutzgebiets „Unterer Niederrhein“ in der Kritik. Zusammen mit den Naturschutzbehörden und weiteren Akteuren vor Ort werden dort seit vielen Jahren Maßnahmen zum Schutz der Vogelarten in diesem für Brut und Rast bedeutenden Vogeschutzgebiet durchgeführt. Das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr erarbeitet aktuell zusammen mit dem Landesamt für Natur, Umwelt und Klima, den in dem Vogelschutzgebiet Unterer Niederrhein tätigen Naturschutzbehörden sowie den Biologischen Stationen  Konzepte und Strategien, die unter anderem auf eine Optimierung des Gebietsmanagements, eine Verbesserung der Koordinations- und Betreuungsstrukturen sowie eine Beseitigung von bestehenden Hemmnissen gerichtet sind. Auch eine Aktualisierung des bestehenden Maßnahmenkonzeptes ist in Vorbereitung, um die Lebensbedingungen für Wiesenvogelarten wie den Kiebitz und die Uferschnepfe zu verbessern.

Neben den FFH-Berichten des Bundes über den Zustand der FFH-Lebensräume und FFH-Arten gibt es als Teilbeiträge auch FFH-Berichte für die Landesebene. Der letzte nordrhein-westfälische FFH-Bericht ist aus dem Jahr 2019, der nächste wird 2025 veröffentlicht. Die nordrhein-westfälischen FFH-Berichte differenzieren zwischen 2 großen Naturräumen, dem atlantischen Tiefland (Niederrheinische Bucht, Niederrheinisches Tiefland, Westfälische Bucht, Westfälisches Tiefland) und dem kontinentalen Bergland (Weserbergland, Bergisches Land, Sauer- und Siegerland, Eifel, Siebengebirge). Insgesamt kommen hier 44 verschiedene Lebensraumtypen vor, 34 im atlantischen Tiefland, 40 im kontinentalen Bergland.

Zur Situation der FFH-Lebensräume: Im atlantischen Tiefland ergab die Bewertung für etwa 18 % einen günstigen, für etwa 30 % einen unzureichenden und für etwa 50 % einen schlechten Erhaltungszustand. In einem schlechten Erhaltungszustand befinden sich nährstoffarme und nährstoffreiche Stillgewässer, Moore, Grünlandlebensräume sowie Auenwälder. Einen unzureichenden Erhaltungszustand weisen beispielsweise die Eichenmisch- beziehungsweise Buchenwälder feuchter oder nährstoffarmer Standorte sowie die Trockenrasen auf Kalk auf. In einem günstigen Erhaltungszustand befinden sich insbesondere Waldmeister-Buchenwälder sowie die Trocken- und Wacholderheiden. Besser sieht die Situation im kontinentalen Bergland aus. Hier sind 60 % der Lebensraumtypen in einem günstigen Erhaltungszustand, während 15 % als unzureichend sowie 22 % als schlecht bewertet wurden. Günstig ist weiterhin der Zustand fast aller Lebensraumtypen der Wälder, Felsen, Fließgewässer und Heiden sowie der Kalkmager- und Borstgrasrasen. Als unzureichend bewertet wurden Moorwälder, Schwermetallrasen, Kalkflachmoore und Kalkschutthalden, die auf kleinflächigen Sonderstandorten vorkommen. Dies gilt auch für die als schlecht bewerteten Lebensraumtypen wie Hochmoore, Pfeifengraswiesen und Binnensalzwiesen. Ebenfalls schlecht bewertet wurden die Flachland- und Bergmähwiesen, die allerdings auf deutlich größeren Flächen vorkommen.

Zur Situation der FFH-Arten: Insgesamt wurden in Nordrhein-Westfalen 93 Arten der FFH-Richtlinie bewertet. Es zeigten sich wenige Unterschiede zwischen dem Erhaltungszustand im Tiefland und im Bergland. In beiden Naturräumen umfassen die Arten mit günstigem Erhaltungszustand etwa 40 % der Gesamtmenge. Die Arten mit schlechtem und mit unzureichendem Erhaltungszustand machen jeweils etwa 30 % der bewerteten Arten aus. In einem schlechten Erhaltungszustand befinden sich neben Weichtieren und Krebsen vor allem Arten, die auf extensiv genutzte Grünlandflächen angewiesen sind. Mit dem Großen Moorbläuling, dem Blauschillernden Feuerfalter und dem Skabiosen-Scheckenfalter fallen die Tagfalter besonders bei dieser Gruppe auf. Dieses Ergebnis entspricht auch den Befunden der Auswertung zu den Lebensraumtypen (Flachland- und Bergmähwiesen). Verbesserte Erhaltungszustände konnten vor allem bei den Arten der Wälder nachgewiesen werden, aber auch bei den Libellenarten konnten positive Entwicklungen verzeichnet werden, dazu zählen etwa die Zierliche Moosjungfer und die Grüne Keiljungfer.

Säulendiagramm (gestapelt): Erhaltungszustand der FFH-Lebensraumtypen und -Arten für Nordrhein-Westfalen im Jahr 2019 © MUNV NRW

Erhaltungszustand der FFH-Lebensraumtypen und -Arten für Nordrhein-Westfalen im Jahr 2019

Abgebildet sind als Ergebnisse des FFH-Berichts 2019 sowohl der Erhaltungszustand der insgesamt 44 Lebensraumtypen, als auch der Erhaltungszustand der insgesamt 93 Arten nach den Anhängen der FFH-Richtlinie. Sie sind in 4 Klassen differenziert nach dem atlantischen Tiefland und dem kontinentalen Bergland. Die Ergebnisse basieren auf Datenerhebungen aus den Jahren 2007 bis 2017. Insgesamt sind nur etwa 18 % der FFH-Lebensräume und etwa 40 % der FFH-Arten in einem günstigen Zustand.

Ursachen für die ungünstigen Einstufungen von Lebensraumtypen und Arten sind vor allem Belastungen durch hohe Nährstoffeinträge, Störungen des Wasserhaushalts und die intensive Landnutzung. Auch die Fragmentierung der Lebensräume sowie direkte und indirekte Effekte des Klimawandels spielen eine Rolle. Diese Ursachen sind durch Naturschutzmaßnahmen nur unzureichend zu verbessern. Regelungen, Förderprogramme und Konzepte anderer Politikbereiche mit Auswirkungen auf die FFH-Schutzgüter müssen daher weiter optimiert beziehungsweise konsequent umgesetzt werden.

Rekordbeteiligung beim Vertragsnaturschutz

Im Jahr 2024 erreichte die Naturschutzförderung in Nordrhein-Westfalen einen neuen Höchststand: 
Landwirtinnen und Landwirte stellten gemeinsam mit dem Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr Nordrhein-Westfalens rund 43.000 Hektar Fläche für den Vertragsnaturschutz bereit, eine weitere Steigerung gegenüber den 39.000 Hektar im Vorjahr. Der Vertragsnaturschutz fördert eine extensive Bewirtschaftung von Äckern und Grünland sowie die Pflege von Streuobstbeständen und Hecken. Im Jahr 2024 wurden hierfür Maßnahmen mit einem Fördervolumen von etwa 33,6 Millionen Euro beantragt, finanziert durch Mittel der Europäischen Union und des Landes.

Mit dem Vertragsnaturschutz erhalten wir gemeinsam mit der Landwirtschaft wertvolle Lebensräume, die durch technische Fortschritte und den Strukturwandel im ländlichen Raum immer seltener geworden sind.

Hierzu zählen auch die Streuobstwiesen. Sie gehören zu den artenreichsten Lebensräumen unserer Kulturandschaft in Mitteleuropa. Sie haben eine immense Bedeutung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt, auch in Nordrhein-Westfalen. Sie bieten zahlreichen Tieren und Pflanzen, darunter vielen gefährdeten Arten wie Steinkauz und Siebenschläfer, aber auch zahlreichen Insektenarten einen Lebensraum.

Von den geförderten Flächen entfielen rund 8.270 Hektar auf Ackerextensivierungen, etwa 34.450 Hektar auf Grünland und 960 Hektar auf Streuobstbestände und Hecken. Durch die geförderten Maßnahmen werden nicht nur bedrohte Biotope wie Magerrasen, Heiden, artenreiche Wiesen und Weiden erhalten, sondern wird auch wichtiger Lebensraum für Arten wie Kiebitz, Rotmilan, Rebhuhn und Feldhase bewahrt. Unterstützt werden auch Ackerränder zum Schutz gefährdeter Feldflora und Blühstreifen, die Insekten und Vögeln als Nahrungsquelle dienen. Der Anstieg der Förderfläche und der bereitgestellten Mittel unterstreicht das Engagement der Landesregierung und der landwirtschaftlichen Betriebe für den Naturschutz in Nordrhein-Westfalen. Diese gemeinsame Anstrengung trägt dazu bei, wertvolle Lebensräume zu erhalten und die Artenvielfalt in der Region zu fördern.

Ob mit oder ohne Schutzstatus, Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert sind wertvoll für die Biodiversität. Als solche gelten extensiv genutzte Grünland-, Acker- und Streuobstflächen, Säume sowie Brachen. Einbezogen sind auch jenseits der bewirtschafteten Flächen liegende Hecken, Gebüsche, Feldgehölze und naturnahe Bachläufe. Knapp 13 % der Agrarlandschaft wiesen im Jahr 2022 einen hohen Naturwert auf, rund 87 % einen geringen Naturwert. Differenzen ergeben sich unter anderem für topographisch und geomorphologisch verschieden geprägte Regionen: Im nordrhein-westfälischen Tiefland weisen geringere Anteile der Landwirtschaftsfläche einen hohen Naturwert auf. Im Bergland dagegen liegen die Anteile wesentlich höher.

Säulendiagramm (gestapelt): Umweltindikator Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert © MUNV NRW

Umweltindikator Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert

Von der Landwirtschaftsfläche Nordrhein-Westfalens war im Jahr 2022 mit insgesamt 12,8 % ein geringerer Anteil von hohem  Naturwert als im Jahr 2009. Der Trend über die letzten 10 Jahre zeigt jedoch keine signifikanten Veränderungen und ist konstant.  Innerhalb der 3 Wertstufen gibt es jedoch Verschiebungen: Ein linearer Trend über die letzten 10 Jahre kann nicht festgestellt  werden. Statt 6,5 % im Jahr 2013 betrug er zuletzt 5,7 %. Einen sehr hohen Naturwert hatten 4,6 % der Landwirtschaftsfläche  bei einem konstanten Trend. Der Trend für Flächen mit äußerst hohem Naturwert ist steigend: Ihr Anteil nahm seit 2013 von 2,1 %  auf 2,5 % zu. Bis 2025 sollen als Ziel der Biodiversitätsstrategie 15 % der Landwirtschaftsflächen in eine der 3 Kategorien fallen.