Umwandlungen, Multifunktionalität und Ökosystemleistungen des Waldes   

„Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen“ versinnbildlicht als Redewendung, das große Ganze nicht zu sehen, weil man nur das Klein-Klein im Fokus hat. In der Tat ist der Wald mehr als eine Ansammlung von Bäumen. Vielmehr spielen Wälder, vor allem die von menschlicher Einflussnahme  kaum veränderten Primärwälder, eine entscheidende Rolle bei den Wechselwirkungen der 9 wesentlichen Regulatoren für den Zustand des Erdsystems.

Das Bild zeigt einen naturnäheren Laubwald. Im Hintergrund schlängelt sich ein Bach durch den Wald. © Jacki Drexler / Unsplash

Entwaldungen als global wichtigste Variante des Landnutzungswandels haben maßgeblichen Einfluss auf den Klimawandel und das Artensterben, nicht zuletzt aber auch auf die Versauerung der Weltmeere sowie den  Süßwasserverbrauch. Diesem Umstand wird  Rechnung getragen, indem die planetare Grenze „Veränderung der Landnutzung“ über die ursprünglich bewaldeten Flächen in den Tropen, in den gemäßigten Breiten und in der borealen (nordischen) Zone definiert ist. Mittlerweile sind nur noch etwa 60 % dieser ursprünglichen Wälder verblieben, die planetare Grenze für die Veränderung der Landnutzung ist deutlich überschritten. 

Laut Fachliteratur ist für die Fläche Nordrhein-Westfalens ohne menschliches Einwirken von einer weitgehend geschlossenen Waldbedeckung auszugehen – mit Ausnahme von Gewässern, Mooren sowie Lichtungen durch den Einfluss von Großsäugern. Eine im Jahr 2021 veröffentlichte Studie des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung berechnete, dass nur noch rund 30 %  der potenziell ursprünglich bewaldeten Fläche Nordrhein-Westfalens bewaldet ist. Primärwälder gibt es hier  jedenfalls seit Jahrhunderten nicht mehr. Andererseits ist auch Raubbau an dem verbliebenen Wald seit 200 Jahren kein Thema mehr. In anderen Regionen sind große Kahlschläge und Brandrodungen jedoch immer noch an der  Tagesordnung. Zum Beispiel in den Regenwäldern Brasiliens zugunsten von Sojaanbau und Rinderweiden sowie  Indonesiens für Industrieholz- und Palmölplantagen. Oder  in den letzten Urwäldern Europas für die Holz- und Papierwarenindustrie – letztlich für Produkte, die auch wir weiterverarbeiten beziehungsweise konsumieren.

Der Wald spielt eine Schlüsselrolle beim Klimaschutz

Ohne Wald würde selbst bei noch so vielen anderen Klimaschutzmaßnahmen der menschengemachte Klimawandel nicht gestoppt werden können. Wälder  wirken als gigantische Kohlenstoffspeicher, indem sie Kohlenstoff in den Pflanzen und den Böden in großer Menge binden und speichern. Möglich macht dies die Photosynthese, bei der durch Sonnenlicht, Wasser, atmosphärisches CO2 und verschiedene  Nährstoffe, Kohlenstoff in Blättern oder Nadeln, Holz  und Wurzeln gebunden wird. Ein Kubikmeter Holz mit etwa 500 Kilogramm Gewicht besteht aus ungefähr 250 Kilogramm Kohlenstoff, für die der Atmosphäre etwa 917 Kilogramm CO2 entzogen wurden. Der Klimaschutzeffekt kommt weltweit vor allem durch den Schutz der verbleibenden Primärwälder, Aufforstung beziehungsweise Wiederaufforstung, eine nachhaltige Forstwirtschaft und der langfristigen Verwendung von Holzprodukten wie Holzbaustoffen zum Tragen. Kohlendioxid wird so über einen längeren Zeitraum fixiert und erst bei der Verbrennung von Holzprodukten oder bei der natürlichen Zersetzung wieder freigegeben. Somit tragen Wälder und die Holzverwendung zum Klimaschutz bei. Einer wissenschaftlichen Studie zu Folge wird allein in Nordrhein-Westfalen eine Emissionsreduktion um jährlich etwa 18 Millionen Tonnen CO2 durch die Speicherung in Wäldern und in Holzprodukten sowie durch die Substitution von Materialien und Energieträgern erreicht.  Das entspricht rund 8 % der CO2-Emissionen Nordrhein-Westfalens im Jahr 2022. Holz ist ein CO2-neutraler Werkstoff und Energieträger und spielt daher in der Klimadiskussion eine wichtige Rolle. Das Land will den Beitrag des Bereichs Wald und Holz zum Klimaschutz im Rahmen verschiedener Initiativen weiter ausbauen

Abgesehen von Kippelementen wie dem Amazonas-Regenwald, deren Kippen zu Kettenreaktionen mit unwiederbringlichen Folgen führen kann, zeigt die Klima- und Umweltkrise auch in den Waldökosystemen unserer Breiten sich selbst verstärkende Effekte. Ein Beispiel: Vermehrte Trockenheit und  zunehmende Hitze macht den an die bisherigen klimatischen Bedingungen angepassten Wald anfälliger gegenüber Krankheiten und Parasiten und Waldbrände treten  häufiger auf.

Hierzulande setzen die forst- und naturschutzrechtlichen Bestimmungen des Bundes und des Landes den Rahmen für multifunktionale, artenreiche und naturnahe Wälder mit ihren Schutz-, Nutz- und Erholungsfunktionen. Dabei spielt der hohe Privatwaldanteil von 63 % eine große Rolle.

Wald im Sinne des Bundeswald- und des Landesforstgesetzes sind mit Forstpflanzen bestockte Grundflächen,  aber auch verlichtete und gesetzlich wieder zu bewaldende Grundflächen, Waldwege, Waldblößen und Lichtungen, Waldwiesen und Holzlagerplätze. Wald im Sinne der  Ökologie ist ein Ökosystem, in dem sich ab einer bestimmten Waldentwicklungsphase durch den Dichtstand der  Bäume ein eigenes Klima unterhalb des Kronendaches  bildet, das Waldinnenklima. Es zeichnet sich durch ausgeglichenere Temperaturen – kühler im Sommer, wärmer im  Winter – , eine höhere relative Luftfeuchtigkeit sowie geringere Lichtintensität und Windgeschwindigkeiten als in der Umgebung aus.

Der Wald in Nordrhein-Westfalen bietet eine Fülle an  Ökosystemleistungen: Er ist für etwa 18.000 Pflanzen-,  Pilz- und Tierarten Lebensraum, er speichert und filtert Grundwasser, schützt vor Erosion und Hochwasser und sorgt für die Humusbildung sowie die Luftfilterung und -kühlung. Auch setzt er Sauerstoff frei und bindet Kohlenstoff in Form von Biomasse. Der nachwachsende Rohstoff Holz hat mit rund 250.000 Beschäftigten und mehr als 30 Milliarden Euro Jahresumsatz in der Forst- und Holzwirtschaft eine große Bedeutung für den ländlichen Raum. Nicht zuletzt hat der Wald eine Erholungsfunktion sowie eine herausragende kulturelle Bedeutung für die Menschen. 

Nach der Bundeswaldinventur 2022 gelten etwa 950.000 Hektar oder 28 % der Landesfläche als Waldfläche (etwa  850.000 Hektar oder 25 % laut Kataster). Der hiesige Wald ist jünger und vielfältiger geworden. Vor allem nahm die Fläche der Altersklasse 1 bis 20 Jahre zu und die der  Altersklasse 41 bis 60 Jahre ab. Durch die Folgen des Klimawandels hat sich der Wald verändert, insbesondere Fichten fielen großflächig aus.