Portraitfoto von Oliver Krischer |  Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr NRW © Mark Hermenau / Land NRW

Vorwort

Oliver Krischer - Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen

Sehr geehrte Damen und Herren,

Wenn wir heute in den Himmel über dem Ruhrgebiet schauen, dann erscheinen Berichte über Smog-Belastungen und Smog-Alarme mehr als Nachrichten aus einer anderen Welt. Doch dem ist leider nicht so. Von den 1960er Jahren bis weit in die 1980er Jahre war die Luft in diesem dicht besiedelten Raum an der Ruhr vor allem durch den intensiven Betrieb von Industrieanlagen, Hüttenwerken, den Verkehr und die weit verbreitete Nutzung von Kohleöfen in den Haushalten stark belastet. In den 1970er Jahren lag dabei die Schwefeldioxidkonzentration teils bei über 1.000 Mikrogramm pro Kubikmeter – ein drastischer Wert, der weit über dem heutigen EU-Grenzwert zum Schutz der menschlichen Gesundheit von 125 Mikrogramm pro Kubikmeter als Tagesmittelwert lag. Auch die Feinstaubbelastung (PM10) erreichte bis zu 600 Mikrogramm pro Kubikmeter, während der heutige Grenzwert für den Tagesmittelwert (mit 35 zulässigen Überschreitun- gen pro Jahr) bei 50 Mikrogramm liegt. Die gesundheitlichen Folgen der regelmäßig wiederkehrenden Smog- Belastungen waren dramatisch: Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauf-Probleme und eine erhöhte Sterblichkeit. Aber auch wirtschaftlich und gesellschaftlich wurde die schlechte Luftqualität im Ruhrgebiet zunehmend als massive Belastung wahrgenommen: Als Nordrhein-Westfalen 1985 erstmalig die höchste Alarmstufe des Smog-Alarms in Deutschland ausrief, mussten nicht nur Betriebe ihre Produktion drosseln oder ganz einstellen. Teilweise wurden Schulen geschlossen, Autos und LKWs durften nur noch eingeschränkt fahren. Ökologisch prägten Begriffe wie „Saurer Regen“ und „Waldsterben“ eine ganze Generation.

Die Ausrufung der höchsten Smog-Stufe vor 40 Jahren wurde zum Wendepunkt: Durch die Einführung strenger Umweltgesetze, Investitionen in saubere Technologien und ein umfassendes Monitoring haben wir die Verschmutzung der Luft und der Gewässer erheblich vermindert. Dies war ein Kraftakt, der nicht nur mutige politische Entscheidungen, sondern auch die Unterstützung von Unternehmen und der Bevölkerung erforderte. Und sich zum Vorteil aller entwickelte.

Heute sind Schwefeldioxid und sogar die Feinstaubbelastungen auf ein Niveau gesenkt, dass in Nordrhein-Westfalen an keiner der Messstationen mehr die derzeit gültigen Grenzwerte überschritten werden. Auch bei Stickstoffdioxid konnten die Belastungen deutlich vermindert wer- den. Im Jahr 2024 wurde eine vollständige Grenzwerteinhaltung erreicht. Diesen positiven Trend belegen auch die aktuellen Zahlen aus dem neuen Umweltzustandsbricht Nordrhein-Westfalen 2024, den Sie jetzt in den Händen halten. Dieser Erfolg zeigt, dass engagierter Umweltschutz nicht nur möglich, sondern auch notwendig ist, um die Lebensqualität für uns und künftige Generationen zu erhalten und zu sichern. Weitere Anstrengungen sind jedoch erforderlich, da ab 2030 deutlich ambitioniertere Grenzwerte für die Luftqualität gelten.

Der neue Bericht gibt Antworten auf die zentrale Frage, wie es um unsere Umwelt bestellt ist. Er bündelt die zentralen Erkenntnisse aus vielfältigen Mess- und Monitoringprogrammen sowie Forschungsarbeiten rund um unsere Umwelt in Nordrhein-Westfalen und wird nach dem Umweltinformationsgesetz Nordrhein-Westfalen regelmäßig im Abstand von bis zu vier Jahren vorgelegt.

Die Ergebnisse der 6. Auflage zeigen, dass es für eine Entwarnung insgesamt deutlich zu früh ist. Mehr noch: Die ökologischen Belastungen sind in vielen Bereichen Nord- rhein-Westfalens in einem kritischen Bereich, manche Planetare Belastungsgrenze ist sogar schon deutlich über- schritten.

Ja, es gibt in einzelnen Handlungsfeldern deutliche Verbesserungen, wie etwa bei der Luftqualität, den Treibhausgasemissionen oder den Belastungen von bestimmten Lebensmitteln, wie etwa der Dioxin- oder PCB-Belastung von Rohmilch. Bei einigen anderen Indikatoren und Kennziffern ließ sich keine signifikante Verbesserung in den letzten zehn Jahren feststellen, etwa bei den Abfallmengen der privaten Haushalte oder dem ökologischen Zustand unserer Gewässer.

Auf der anderen Seite zeigt der Bericht aber auch, dass es zu deutlichen Verschlechterungen gekommen ist und wir uns deshalb neuen ökologischen Herausforderungen stellen müssen. Gerade die Folgen des Klimawandels und der Biodiversitätskrise werden in Nordrhein-Westfalen immer sichtbarer, hinterlassen ihre Spuren immer deutlicher und beeinträchtigen auch die Art und Weise, wie wir leben, arbeiten und zusammenleben.

Extremwetterereignisse wie Dürren, Stürme und Überschwemmungen haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Nicht zuletzt die dramatische Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 hat gezeigt, welche Folgen die Klimakrise mit sich bringen kann. Veränderungen wie etwa die steigende Zahl der Hitzetage pro Jahr bedrohen nicht nur uns Menschen und unsere Infrastruktur, sondern auch unsere Wälder und landwirtschaftlichen Flächen. Besonders besorgniserregend ist der Zustand unserer Wälder, die unter den extremen Trockenjahren der letzten Zeit stark gelitten haben. Viele Bäume sind geschwächt, ein Großteil der Fichtenbestände ist durch den Borkenkäfer abgestorben und das Risiko für Waldbrände erhöht sich deutlich.

Durch die globale Erwärmung steigt auch die Jahresmitteltemperatur in Nordrhein-Westfalen an und sorgt dafür, dass sich etwa der Beginn der Apfelblüte, der den Beginn des sogenannten Vollfrühlings markiert, durchschnittlich vom 124. Tag des Jahres in der 30-Jahres-Zeitspanne 1951 bis 1980 um 12 Tage auf den 112. Tag des Jahres im Zeit- raum 1994 bis 2023 nach vorne verschoben hat – mit all seinen Folgen für den Gemüse- und Obstanbau in der Landwirtschaft und die Nahrungsversorgung in der Tierwelt.

Die Klimakrise, eine anhaltend intensive Flächennutzung, der fortschreitende Flächenverbrauch sowie der Verlust und die Zerschneidung naturnaher Lebensräume haben auch Folgen für den weitergehenden Verlust der biologischen Vielfalt in Nordrhein-Westfalen. Ein deutliches Indiz dafür ist der negative Trend bei der Artenvielfalt und Landschaftsqualität Nordrhein-Westfalens über alle vier Haupt- lebensraumtypen hinweg.

Dass ein aktiver Naturschutz aber wirkt, zeigen Erfolgsgeschichten bei ehemals ausgestorbenen und stark gefährdeten Tierarten wie dem Uhu, dem Lachs, dem Biber oder dem Wanderfalken. Es kehren auch viele Tiere auf natürliche Weise zurück, weil sich die Lebensräume qualitativ verbessert haben. Dazu gehören zum Beispiel die Weißstörche, die Anfang der 1990er Jahre in Nordrhein-Westfalen so gut wie ausgestorben waren und von denen im Jahr 2022 landesweit wieder 705 Brutpaare nachgewiesen werden konnten, oder der Otter, der selbstständig den Weg zurück ins Münsterland gefunden hat. Trotzdem gibt es keinen Grund zur Entwarnung: Besorgniserregend ist mittlerweile, dass auch typische Arten der Feldflur und früher ungefährdete „Allerweltsarten“ in den Roten Listen zu fin- den sind. So gelten Feldsperlinge nach wie vor als gefährdet und der früher häufige Schmetterling Kleiner Fuchs wird heute bereits in manchen Regionen auf der Vorwarn- liste geführt. Viele Tier- und Pflanzenarten, besonders in landwirtschaftlich genutzten Gebieten, sind bedroht.

Bei beiden großen ökologischen Herausforderungen des Jahrhunderts, dem Klimawandel und der Biodiversitätskrise, brauchen wir genauso ein ambitioniertes und mutiges Vorgehen wie vor Jahrzehnten bei dem Kampf gegen die Luftverschmutzung. Daher werden wir die Biodiversitätsstrategie Nordrhein-Westfalen bis 2026 fortschreiben und in einem breiten Beteiligungsprozess bereits ab Herbst 2025 gemeinsam diskutieren. Beim Klimaschutz setzen wir nicht nur auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien, sondern auch mit Maßnahmenpaketen auf die Transformation hin zu einer nachhaltigen und resilienten Wirtschaft.

Gerade die Transformation Nordrhein-Westfalens zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas eröffnet für den Umwelt- und Naturschutz große Chancen. Denn in einer modernen und auf die Zukunft ausgerichteten Wirtschaft gehören Klimaschutz, der Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen, gute Arbeitsplätze und soziale Sicherheit untrennbar zusammen. Einer der wichtigsten Bausteine dafür ist die Transformation unserer Produktions- und Wirtschaftsweise. Wir wollen mit grünen Technologien nicht nur schwarze Zahlen schreiben, sondern unsere Wirtschaft gerade in Zeiten neuer geopolitischer Herausforderungen und Rohstoffknappheit zukunftssicher und unabhängiger machen. Daher investiert die Landesregierung seit Jahren in Förderprojekte, um die Umweltwirtschaft und die Kreislaufwirtschaft in Nordrhein-Westfalen auszubauen. Und die Erfolge zeigen uns, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind: Allein der ökologische Nutzen der nordrhein-westfälischen Umweltwirtschaft bezogen auf das Jahr 2023 beläuft sich auf rund 29 Milliarden Euro, davon allein rund 19,6 Milliarden Euro durch die Vermeidung von Umweltschäden und Naturzerstörung.

Der Schutz unserer Umwelt ist daher keine Frage von gestern oder morgen – er ist eine Aufgabe für heute. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten und dadurch eine lebenswerte Zukunft zu sichern. Der Umweltzustandsbericht Nord- rhein-Westfalen 2024 liefert dafür die Datengrundlage.

Ihr Oliver Krischer

Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen